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Adieu: Facebook, lass uns Freunde bleiben

Es gab Zeiten, da konnte ich mir ein Leben ohne soziale Medien nicht vorstellen. Die Anzahl meiner virtuellen Freunde hatte in etwa den selben Stellenwert wie mein Kontostand. Doch über die letzten Monate hinweg entwickelte sich die soziale Datenkrake Facebook immer mehr zu einer Art Geschwür in meinem Dasein. Freute ich mich früher noch darüber, dass meine Freunde und Bekannten sehen konnten wann ich was machte, wen oder was ich geliked habe und wann ich wo war, griffen eben diese Funktionen immer mehr negativ in mein Privatleben ein. Hinzu kam eine Flut an Werbung und Inhalten, die mir Facebook in die Timeline mischte und mich einfach nicht interessieren wollten. Die wirklich wichtigen Dinge, meine (tatsächlichen) Freunde, gingen bei all dem Content-Müll komplett unter und mit jedem Tag wuchs meine Wut auf das soziale Netzwerken an sich.

Ich kann mich nun kaum noch erinnern, was das Fass letztendlich zum Überlaufen brachte. Eines Morgens entschloss ich mich kurzerhand Facebook und Konsorten endgültig von meinem iPhone zu verbannen. Ich überlegte sogar kurz mein Profil gänzlich zu löschen. Da ich jedoch kein Freund von absoluten Dingen bin, blieb es bei einem “simplen” Smartphone-Bann. Schließlich wollte ich mir ja die Option offen halten, jederzeit zurück zu kommen, wenn es mir passt.

Was tun mit all der Zeit

Schon am ersten Tag nach dem Löschen der App fiel mir eines ganz deutlich auf wieviel Zeit ich in sinnloses Auf- und Abscrollen meiner Timeline investierte. Unzählige Male griff ich nach meinem Smartphone, nur um festzustellen, dass ich jetzt gar keinen Grund mehr hierfür hatte. Gelangweilt und überrascht zugleich starrte ich auf das Handy in meiner Hand und wusste nicht so ganz, was ich mit den neugewonnenen Sekunden anstellen sollte. Ich nutzte Sie letztendlich dann dafür, meine Freundin recht nervig darauf hinzuweisen, ihr Handy doch mal aus der Hand zu legen. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass ich meinem gesamten Umfeld ziemlich – entschuldigt die Ausdrucksweise – auf den Sack ging.

Fakt ist, ich wusste eigentlich so gar nichts mit mir anzufangen. Es fühlte sich schon fast so an, als wäre ich in ein kleines Loch gefallen – ich, der Blogger – gefangen im Real-Life. Verdammt gelangweilt an die Decke zu starren, während sich andere genüsslich mit den aufgegossenen Nachrichten und vorgekauten Content aus aller Welt vergnügten. Na gut, ich gebe zu, ganz so dramatisch war das jetzt nicht.

Ich scrollte durch meine Nachrichten-App und wischte über den Homescreen von rechts nach links und wieder zurück, nur um festzustellen, dass es nichts zu sehen gab. Gott sei Dank half mir Instagram über die Leere, die Facebook nun in meinem Leben hinterlassen hatte, hinweg. Doch auch das wurde schnell langweilig. Ich nahm mein Smartphone zunehmend seltener zur Hand, bis es letztendlich gar völlig in der Ecke liegen blieb. Meine Freundin sah mich fast schon mitleidig an , während Sie die Updates Ihrer Freunde auf Facebook checkte. “Willst du das ich meins auch lösche?” sagte sie mit gequältem Blick als ob sie zwischen den Zeilen “Bitte sag jetzt nicht ja” schrie.

Es dauerte circa eine Woche bis ich Facebook endgültig aus meinem Leben verbannte und ich musste mit Entsetzen feststellen: ich brauchte es gar nicht. All die Ängste, etwas zu verpassen, durch das soziale Raster zu fallen oder mich den Rest meines Lebens zu langweilen: unbegründet! Ich würde gerne sagen, dass mir klar wurde ,wie unbedeutend das soziale Medium eigentlich ist, aber das kann ich nicht. Denn einen “Moment der Erleuchtung” im eigentlichen Sinne gab es nie. Vielmehr ersetzte ich schleichend die Momente, in denen ich Facebook genutzt hatte durch andere Dinge. Ich las Nachrichten, drückte kurz auf meiner Nintendo Switch herum oder suchte das Gespräch mit den Menschen um mich. Alles in allem nahm ich das Geschehen und die Dinge um mich herum bewusster wahr – kein Wunder, denn die Haupt-Ablenkung ist ja nun weggefallen.

Entschleunigung und Freier Wille

Mit dem Streichen von Facebook aus meiner täglichen Routine ist mir im Großen und Ganzen eigentlich eines wirklich gelungen: ich habe mein Leben ein Stück weit entschleunigt. Ich entscheide nun gezielter, welchen Content ich konsumiere und nehme diesen dann auch deutlicher wahr. Ich werde nicht mehr so mit Belanglosem überschüttet. Denn bricht man es auf den kleinsten Teil herunter, ist Facebook am Ende doch nur eines: eine Ablenkung. Es lenkt unsere Aufmerksamkeit von den wichtigen Dingen auf Sachen, die uns eigentlich nichts bedeuten: seien es lustige Spruchbilder, der Status anderer oder Nachrichten, die uns früher niemals interessiert hätten und uns in einer Post-Facebook Zeit auch nicht mehr interessieren werden. Der Medienriese gibt uns vor, was wir lesen, sehen oder konsumieren. Ein Algorithmus, der uns unterstellt, besser zu wissen was zu uns passt, als wir selbst. Eine Kastration des Freien Willens und die Abgabe eines Stückes unserer Freiheit.

Ich nutze auch heute noch Facebook. Jedoch eher sporadisch als regelmäßig. Im Schnitt öffne ich das soziale Netzwerk einmal die Woche und verpasse mir Update über das Geschehene und verpasste. Ich beantworte meine Anfragen und schaue, was meine Freunde so getrieben haben. Das Ganze dauert im Schnitt zwei Minuten, dann schließe ich das Fenster auch schon wieder. Ganz schmerzlos. Keine Wehmut, kein Hinterhertrauern nach guten alten Zeiten. Facebook hat den Stellenwert, den es in meinem Leben hatte, verloren und wird ihn wohl auch nie wieder einnehmen. Fast so, als würde man eine Beziehung beenden und ein Kapitel schließen. Man öffnet es ab und an wieder und erkundigt sich nach dem Ex-Partner, jedoch nur um sicherzugehen, dass es ihm (im Idealfall) gut geht und alle wohlauf sind. Und genau das beschreibt meine Beziehung mit Facebook am besten. Wir haben uns getrennt – im Guten – und sind einfach Freunde geblieben.