Mein Leben als Blogger
Wenn die Menschen hören, das ich Blogger bin, haben diese meist ein genaues Bild von mir und meinem Leben vor Augen. Ein Trugbild, das sich dank zahlreicher Magazin- und Hollywoodmythen in die Köpfe der Menschen eingebrannt hat. Heute jedoch möchte ich euch mal erläutern, wie MEIN Leben als Blogger eigentlich aussieht.
Ich bin auch nur ein Mensch
5:30 Uhr, der Wecker klingelt erbarmungslos. Ich schaue ungläubig auf das leuchtende Display meines Smartphones, schätze den Grat meiner Müdigkeit ab und drücke in der Hoffnung, das meine Tochter das nicht gehört hat, die “Schlummern”-Taste. Die ganze Prozedur wiederholt sich dann drei- bis viermal bevor ich mich letztendlich doch so allmählich aus dem warmen Weich bequeme. Halb verschlafen starte ich in den Tag. Ich schnappe in völliger Dunkelheit meine Klamotten, gehe unter die Dusche und versuche mich mit Kaffee über Wasser zu halten, bis die ersten Sonnenstrahlen über die Häuserdächer blitzen.
Zugegeben, auch ich kann mir besseres vorstellen als Morgens mit zugequollenem Gesicht, die Kaffeetasse umarmend am Frühstückstisch zu sitzen. Doch so ist sie nun mal, die Realität. Nichts zu spüren von all dem Lifestyle und Luxus eines Bloggerlebens. Es ist mittlerweile 6:20 Uhr und der erste Kaffee hat bereits seine Wirkung verfehlt. Ich schnappe mir eine weitere Tasse, nehme den Hund unter den Arm (ja, er ist tatsächlich nicht sonderlich groß – ein Zwergpinscher – Chihuahua Mix um genau zu sein) und dann raus in die Kälte.
Während meine Lunge sich mit der kalten Morgenluft füllt, merke ich, dass genau dieser Moment perfekt ist: nur ich, die Musik auf meinen Ohren und die Welt um mich herum, die langsam erwacht. Bis zu diesem einen Moment der Erleuchtung ist noch nicht einmal sonderlich viel passiert, außer das sich mein Bewusstseinszustand so langsam gen wach entwickelt. Ich stecke ‘on-the-fly’ beim Entleeren meines Hundes meine Tagesziele und hetze zurück nach Hause, weil ich wiedermal viel zu viel Zeit mit Träumen verschwendet habe. Auf in den Tag!
Man mag jetzt meinen, das ich als Blogger, mich mit meinem Laptop an den Frühstückstisch setze, die Zeitung vor mir ausbreite, eine Tasse Kaffee vor mir und dann gemütlich in den Tag starte. Doch weit gefehlt. Das Leben eines deutschen Durchschnitts-Bloggers ist alles andere als glamourös. Zumindest in meinem Fall – vielleicht mache ich aber auch einfach etwas falsch. Es ist stressig, belastend und verlangt 110% Leidenschaft und Durchhaltevermögen. Nichts zu spüren von dem leichten Party- und Luxusleben, das man erwartet wenn man an “Blogger” denkt. Denn rede ich mit Freunden und Bekannen über mein Hobby, gehen diese meist davon aus, dass ich das Bloggen Vollzeit betreibe und dabei die dicke Kohle schäffele. Doch weit gefehlt. Auch ich gehe nach wie vor einem ganz normalen Arbeitsalltag nach. Nichts mit lange ausschlafen, abends schön fEiern und dann 2-3 Stunden “ein bisschen” arbeiten – nicht dass das nicht wünschenswert wäre, ganz im Gegenteil. Doch würde ich diesen Lifestyle wählen, könnte ich sicher sein, dass spätestens am 3. jeden Monats der Vermieter mit fragendem Gesicht vor meiner Tür steht und die Hand aufhält.
Glamour und Luxus des Bloggerlebens
7:30 Uhr, der berufliche Alltag ist in vollem Gange. Ich komme im Büro an und gehe, wie jeder andere Superheld auch, meinem Tagesjob nach, bevor ich mich in das Nachtleben stürze und all die Unwissenden vor dem Verbrechen X beschütze – nicht. Mein Leben hat überhaupt nichts heldenhaftes an sich. Im Gegenteil. Es ist das pure Chaos. Reihenweise Umzüge, das Managen meiner sogenannten “Freizeit” und der Spagat zwischen Beruf, Hobby und Familie.Ich sitze also am Schreibtisch und sehne mich nach dem wohligen Warm des Bettes in dem ich noch vor ca. 1,5h lag und widme mich den üblichen Aufgaben meines Berufes.
Ich bin Mediendesigner. Das heißt für mich jeden Tag 130% meiner geistigen Ressoucen der Firma zu opfern. Ganz nach dem Deickind-Motto “Bück dich hoch” investiere ich meine Kreativität und verschreibe ich mich dem “großen Plan” meines heiligen Anführers, der mich in ein besseres Lerben führt – oder zumindest sollte. Da bleibt nicht allzu viel übrig am Tagesende, um noch an eigenen Projekten zu arbeiten. Meine Restenergie, die ich über den Tag retten konnte widme ich meiner Tochter, bevor ich den Abend ruhig und mehr oder weniger ereignislos ausklingen lasse. “Klingt aufregend()”, mag sich jetzt der Eine oder Andere denken – und genauso spannend wie es sich anhört ist es auch.
Das Leben eines Bloggers, nein, MEIN Leben ist nicht annähernd so, wie ich es mir vielleicht vor einigen Jahren vorgestellt hatte, denn auch ich hatte ein völlig falsches und verzerrtes Bild eines “handelsüblichen Bloggers von der Stange”. Einmal umtauschen bitte, meins ist kaputt – oder es funktioniert nicht richtig. Zugegeben mag ich hier ein wenig frustriert klingen und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, bin ich das auch ein wenig. Nicht weil ich ein Hobby gewählt habe, das meine Freizeit frisst, sondern vielmehr weil ich mir wünschte meine Tage wären länger und ich könnte mehr Zeit in meine Leidenschaft investieren. Doch wenn es meinen Mitmenschen an etwas fehlt, dann ist es Verdtändnis für die Liebe zu meinem Hobby.
Ich liebe dich – ich hasse dich
Oh Blog, du liebliche Leidenschaft – oh Blog, du zeitfressender Teufel.Wie sehr ich dich schon verflucht habe und wie ich dich doch liebe. Ich öffne dich mindestens ein mal am Tag und bewundere deine Schönheit, deine Ausstrahlung, dein Appeal – und dennoch verfluche ich dich dafür, das du so an mir zehrst. Bon Appetit! Als ich mich dem Bloggen hingab war mir nicht klar, das zwischen mir und meinem Herzensprojekt eine derartige Hassliebe entsteht. Die ständige innere Unruhe, die in mir entstanden ist, das Verlangen weiter zu machen und all die Zweifel die sich mir und meinem Projekt in den Weg stellen würden: hätte mich doch nur jemand davor gewarnt. Ich spüre nun, neben dem Versorgen meiner Famile, eine weitere ständige Verbindlichkeit in meinem Leben – und zwar die meinen Lesern gegenüber.
Ich ging völlig ohne Erwartungen an das “Bloggen” heran. Ich schrieb aus Spaß und tippte alles nieder, das mich gerade so bewegte. Doch mit wachsendem Leserkreis stieg auch die Verantwortung und der eigene Anspruch an das geschriebene Wort. Schließlich will man seinen Besuchern mehr bieten als einen 08/15 heruntergeleierten Beitrag. Und genau das entpuppte sich – in meinem Fall – sehr schnell als Problem. Eins, das ich gerade zu bewältigen versuche. Ich recherchiere, schreibe, lösche, schreibe und verwerfe wieder. Nichts scheint noch gut genug und dann wird es letztenendes doch wieder “nur” eine Toplist oder ein Beitrag mit Lebensweisheiten, die ich selbst nicht einzuhalten weiß. Eben auf nummer sicher gehen – bloß kein Risiko oder Flagge zeigen. Was für ein nonsens – und dennoch kann ich nichts dagegen tun.
Jeder, der sich dem Bloggen und schreiben hingibt, wird schnell den Zwiespalt des eigenen Projekts entdecken. Was anfangs noch als Antrieb dient, das Schaffen von etwas Neuem, das Kreiren und Aufbauen des eigenen Blogs und verbreiten der ersten eigenen Geschichten, wird schnell zu einer Art Last, die einen durchaus unter Umständen an den Rand des Burn-Outs treibt. Und dennoch macht man immer weiter. Es ist eben diese Verbindlichkeit immer neue Geschichten und Beiträge zu liefern die einen weitermachen lässt. Frischer Content, am besten täglich – oder zumindest 2-3 mal die Woche. Ich bin mir sicher, jeder von “uns” hat sich dieses Ziel gesteckt, doch nur die wenigsten schaffen es dieses zeitlich umzusetzen. Wieso sonst besteht ein Großteil der deutschen Bloggerszene aus Müttern in Elternzeit, Hausfrauen & -männer oder Studenten – denn wer sonst kann schon so viel Kraft und Liebe aufbringen, ein derart “hungriges” Projekt am Leben zu halten?
Trotz all der Hürden und Gründe, das Bloggen an den Nagel zu hängen kann ich mich nicht davon losreisen. Es bewegt mich zu sehr um es gehen zu lassen – es wurde ein Teil von mir. Das schreiben befreit meine Seele auf eine Weise, die ich mir zuvor nicht vorstellen konnte. Eine Art emotionale Reinigung und/oder Selbsthilfe sozusagen. So ziemlich jeder Blogger den ich kenne steckte bereits mindestens ein mal in einer völligen Identitätskrise, mich eingeschlossen. “Macht das alles Sinn, was ich hier tue?”, “Für wen mache ich das überhaupt?”, “Das interessiert doch ohnehn niemanden” und “Ich sollte meine Zeit lieber wichtigeren Dingen widmen”. Doch jeder versuch sich von dem Bloggen zu distanzieren endete mit einer Leere und Sehnsucht die ich zuvor nicht kannte. Mir wurde bewusst, wie sehr mich das Bloggen veränderte. Ich lernte dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen. Ich war nun nicht länger Konsument, sondern Produzent. Mir wurde bewusst, das ich nun nicht länger abhängig von der Sichtweise anderer bin, sondern nun meine ureigene mit meiner Leserschaft teilen kann. Ich entdeckte neue, faszinierende Dinge und Seiten an mir selbst, die ich nie wieder missen mag. Ja, ich bin Blogger und das Bloggen ein Teil von mir. Ich bin schon längst mit meinem Projekt verschmolzen – vielleicht auch zu einem Grad, an dem das Hin- und Hergerissensein zwischen Angst und Euphorie schon nicht mehr gesund ist. Dennoch kann ich nicht aufhören Slyced zu sein. Denn schließlich ist das meine Berufung – und zwar (neben dem Vater sein) die einzige die ich habe.