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Hier bin ich nun.

Es ist der August 2021 – erster Urlaubstag zuhause. Corona scheint so allmählich aus unserem Alltag zu verschwinden und ich werde in Kürze 38. Die Zeit ist wie im Flug vergangen. Ich kann mich nicht mal richtig daran erinnern, was ich die letzten Monate so gemacht habe. Ich sitze an diesem Donnerstag Morgen an meinem Frühstückstisch, Musik auf den Ohren und schaue meinen Kids bei der – nennen wir es mal –  Morgenroutine zu. Es ist ruhig, fast schon friedlich draußen. Es scheint, als hätte ich seit Monaten das erste mal wieder richtig Zeit durchzuatmen. 

Es ist nun schon wirklich lange her, dass ich hier saß und Zeilen in dieses Fenster getippt habe. Ich vermisse es – manchmal. Ich denke an die Zeit zurück in der ich hier täglich saß und all meine Gedanken und Interessen in diese Tastatur gehackt habe. Jetzt starre ich auf den Bildschirm und jedes Wort fällt mir schwer. Es wirkt fast, als hätte ich das Schreiben verlernt. Dabei war ich doch mal mit so viel Herzblut bei der Sache – Blogger aus Leidenschaft. Doch Zeiten ändern sich. ICH verändere mich. Ich merke wie ich ruhiger werde – nachdenklicher – melancholischer. Es scheint fast, als wäre mein euphorischer Optimismus von damals verschwunden, als hätte ich mein Kontingent an Fröhlichkeit verbraucht. Ich ertappe mich immer häufiger, wie ich mich in Gedanken verliere. Nicht tagträumend wie früher, sondern den Sorgen hingebend und es fällt mir zunehmend schwerer klare Gedanken zu fassen und diesen dann auch zu folgen.

Meine Freunde und Familie witzeln schon über meine verfrühte Midlifecrisis und welche Probleme ich mit dem Älterwerden habe. Und versteht mich nicht falsch, genau so ist es auch. Ich finde das Altwerden scheisse – aber so richtig. Ich vermisse die Tage an denen ich sorgenfrei und fröhlich in den Tag leben konnte – mir keine Sorgen machen zu müssen, was heute Abend auf den Tisch kommt und nur Verantwortung für mein eigenes Leben haben zu müssen. Jetzt bin ich erwachsen, habe Kinder und trage Sorge für 4 Leben – und das beinhaltet noch nicht mal meine Patchwork-Kids. Alles was ich tue hat direkte Konsequenzen auf das Leben anderer. Ich mag diese Verantwortung nicht. Ich liebe meine Kinder und die Menschen um mich herum aber ich glaube nicht, dass ich das Beste Vorbild eines Erwachsenen für irgendwen bin. Ich bin chaotisch, unzuverlässig, faul und in letzter zeit auch ein bisschen mieß-muffig und schwermütig  – ein richtiger ‘Grantler’, wie man hier in Franken-Bayern sagt. Bitte nehmt mich nicht zum Vorbild!

Jedenfalls ist es nicht das Älter-werden per se, das mir Sorgen und Schwierigkeiten bereitet, es sind die Veränderungen die es mit sich bringt. Die flüchtigen Bekanntschaften, die man früher abends auf den McDonalds Parkplätzen oder Tankstellen getroffen hatte – manchmal fehlen sie mir und die lustigen Abende, die wir gemeinsam verbrachten. All die “Freunde” die man früher hatte – heute habe ich einen wirklichen Freund. All die anderen sind aus meinem Leben verschwunden. Natürlich folgt man dem einen oder anderen auf Instagram oder Facebook, heuchelt Interesse am Leben. Aber den wirklichen Kontakt ersetzt das nicht – ganz abgesehen davon, dass man die Menschen hinter den Fotos kaum noch kennt.

Ich vermisse die Leichtigkeit und die Freiheit der Jugend. Pflichten sind einfach scheisse – auch noch mit 37. Ich laufe den ganzen Tag auf Autopilot und falle abends erschöpft aufs Sofa. So hatte ich mir das Leben als Erwachsener nun wirklich nicht vorgestellt. Ich wollte immer 25 sein. Ich wollte immer Freelancen. Ich wollte die Welt bereisen und erfolgreicher Musiker werden. Immerhin mache ich auch heute noch Musik, semi-erfolgreich ;). Ansonsten ist so ziemlich alles anders als geplant und nichts ist wie es einmal war.

Ich sitze jetzt also hier, kurz vor meinem 38. Geburtstag und denke Daran wie Alles einmal war. Schaue verliebt meinen Kindern bei Spielen zu.  Und ich stelle fest: So mies ist es gar nicht. Ich fühle dinge, die ich vor 15 Jahren so nicht kannte. Liebe, die ich so nie fühlen durfte. Ich führe eine Beziehung, die ich damals so nie hätte zulassen können. Ja, es ist alles anders und nicht alles davon finde ich gut, muss ich aber auch gar nicht. so lange alles sich die Waage hält. Mein Leben ist nun nicht schlechter. Nur anders, und etwas ruhiger und einsamer – aber nicht schlechter. Ich war, und bin es zum teil noch,  einfach nicht bereit dafür. Ich war und bin noch einfach noch nicht fertig mit verrückt und wild.